Die letzte Chemo

Wie jetzt... wird sich sicher der ein oder andere aufmerksame Leser denken. Letzte Chemo? Hab ich mich da verrechnet oder was...? Das sollten doch mal 12 sein...

Ich hatte heute morgen vor meiner eigentlichen Chemotherapie das Ergebnis-Gespräch mit dem Onkologen. Es ging nochmal um das Re-Staging von letzter Woche und die weiteren Schritte. Wie ich bereits schon geschrieben hatte, war das Ergebnis wirklich sehr gut und in dieser Situation ergeben sich noch ganz andere Behandlungsmöglichkeiten. Eine davon ist zum Beispiel, dass man die aktuelle Chemo mit gutem Gefühl jetzt schon beenden kann. Die beiden noch ausstehenden Termine bieten nur noch wenig Potential im Vergleich zu den Nebenwirkungen, die sich in den vergangenen Wochen aufgetürmt haben. Das bedeutet, ich habe die heutige 10. Chemo noch mitgenommen und das war’s für dieses Jahr. Die Chemo ist damit (bis auf Weiteres) beendet. Das hat mich sehr gefreut zu hören.

Für das neue Jahr ist dann geplant, mit der Immuntherapie wieder fortzufahren. Alleinig und ohne die Chemo hoffen wir, dass ich diese dann weitaus besser vertrage als mit der Chemo zusammen. Sofern das gelingt, wird dann nach drei oder vier Sitzungen -die ich im Abstand von jeweils drei Wochen bekomme- auch der monoklonale Antikörper wieder dazu gegeben. Dieser sorgt dafür, dass die Bildung neuer Blutgefäße an den Tumor unterbunden wird. Der Antikörper musste ebenfalls aufgrund der Nebenwirkungen pausieren. Nach Ablauf von drei Monaten sollen dann die Karten komplett neu gemischt werden. Nach einem weiteren Kontroll-CT (Re-Staging) soll erneut beurteilt werden. Im Idealfall ist der Tumor mit den Lymphknoten dann nochmals kleiner geworden. 

Im Gespräch hat mir der Onkologe von einem Patienten erzählt, der einen ähnlichen Weg wie ich gegangen ist, da er eine sehr ähnliche Indikation in Bezug auf die Tumorausprägung und die Art der Behandlung hat. Die anschließende Immuntherapie hat bei ihm derart gut angeschlagen, dass das Kontroll-CT nichts mehr gezeigt hat. Überhaupt nichts. Er wurde dann nochmal zum PET CT nach Bonn geschickt, um das zu validieren. Und tatsächlich: Keinerlei Tumoraktivitäten. Alles weg, obwohl auch er nur palliativ und ohne Aussicht auf Heilung behandelt wurde.

Jetzt bin ich nicht er. Ganz klar. Aber nachdem ich davon erzählt habe, dass ich letzte Woche einen Bericht auf der Webseite der Krebsgesellschaft gefunden habe, in dem von einer Ausnahme der Krebsarten berichtet wurde, hat der Onkologe mir seine Ideen zu meiner weiteren Behandlung erzählt. In dem Bericht geht es primär darum, die vier Stadien (I - IV) des NSCLC (Nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom) zu be- und umschreiben. Nach dieser Einstufung hatte ich bereits bei Diagnostizierung Stadium IV (was übrigens bei über 80% aller erkannten Bronchialkarzinomen der Fall ist), weil es bei mir eine (!) Fernmetastase in der linken Nebenniere gab. Aber auch nur diese eine. Und deswegen kann man dies nach neueren Erkenntnissen heute einem eigenen Status "OMD" (olingometastasierte Erkrankung) zuweisen. Das geht aber nur, wenn durch PET CT und MRT weitere Metastasen -insbesondere im Gehirn- ausgeschlossen werden können. Und das wurde ja bereits bei mir gemacht. Allerdings habe ich befallene Lymphknoten. Also Vorsicht.

Dennoch: Bei dem Status OMD besteht ein Anspruch auf Heilung, was der Arzt heute auch zum ersten Mal mir gegenüber ausgesprochen hat !!!

Vielleicht kann der Primärtumor tatsächlich noch irgendwann durch eine Operation oder eine Strahlentherapie entfernt werden. Das soll/kann aber jetzt noch nicht entschieden werden. Ansonsten könnte man, wenn der Tumor von der Immuntherapie unbeeindruckt ist, das Immunpräparat gegen ein anderes austauschen. Zudem könnte man mit einer leichteren Chemo parallel gegensteuern.

Des Weiteren hatte ich ja davon erzählt, dass ich vor einiger Zeit mit dem genomischen Netzwerk (NGM) Lungenkrebs an der Universität Köln Kontakt aufgenommen hatte. Der leitende Professor beschäftigt sich ausschließlich mit Bronchialkarzinomen wie meinem und deren Behandlungsmöglichkeiten auf der genetischen Ebene. Also man entwickelt patientenorientierte Zieltherapien, die sich allesamt gegen Treibermutationen richten, die im Zuge der genetischen Untersuchung des Tumorgewebes festgestellt wurden. Auch bei mir wurde dieses pathologisch-anatomische Gutachten gemacht und es zeigte sich, dass keine derzeit behandelbare Mutation zutrifft bis auf eine Einzige. Diese Mutation zeigt sich bei mir sogar in einer hohen Ausprägung. Behandlungsmöglichkeiten für diese Mutation gibt es allerdings noch nicht. Die Universität Köln startet im Januar aber mit einer Phase II-Studie mit einem Medikament, welches für andere Krebsarten eine Zulassung hat und das bei mir ein hohes Ansprechverhalten zeigen würde. Das weiß ich deswegen, weil ich bereits eine Sprechstunde bei diesem Professor hatte. Er hat vorgeschlagen, die Immuntherapie solange wie irgend möglich zu nutzen und erst wenn ich diese nicht mehr vertragen sollte oder der Krebs wieder wächst, würden wir das in Betracht ziehen. Eine sofortige Studienteilnahme ist noch nicht möglich, da aufgrund gesetzlicher Vorgaben eine Erstlinientherapie vorher abgeschlossen sein muss. Zudem gibt es immer wieder Unklarheiten in Bezug auf die Kostenübernahme der Krankenkassen. Studienmedikamente werden im Ausland eingekauft und auf jeden einzelnen Probanden angepasst. Das ist sehr teuer und noch bis vor einiger Zeit musste das jeder aus eigener Tasche bezahlen. Es wäre besser, wenn eine Zulassung vorliegt, mit der ich das Medikament sofort bekommen könnte. Es heisst also Zeit gewinnen. Zumindest ist es gut, noch ein Ass im Ärmel zu haben.

Aber das ist alles noch weit weg. Den heutigen tollen Tag möchten wir einfach auf uns wirken und mit einem Glas (alkoholfreien) Sekt ausklingen lassen...





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