Überschlagende Ereignisse

So, ich glaube es wird Zeit für einen neuen Blog-Eintrag. Die meisten von Euch warten wahrscheinlich schon auf eine Rückmeldung zu den aktuellen Entwicklungen.

Ich muss dazu sagen, dass sich die Ereignisse in den letzten 48 Stunden nahezu überschlagen haben. Zudem war ich am Mittwoch Abend außer Stande, sachlich und einigermaßen neutral zu berichten, ganz abgesehen davon, dass ich noch nicht wirklich wusste, wie es weitergehen könnte.


Aber der Reihe nach...


Mittwoch Abend -recht unmittelbar nach dem letzten MRT Befund- hat mich mein Onkologe angerufen und bat darum, dass Therapie-Gespräch, welches ursprünglich erst für den 4. Januar vorgesehen war, auf den nächsten Tag vorzuziehen. Das war gut und wichtig.


Donnerstag Morgen bin ich (zusammen mit meiner Frau) erst mal zum Hausarzt gefahren, der mich kurzerhand aus dem Verkehr gezogen hat. Danach ging dann es direkt weiter nach Neuwied zur Onkologie. Das Gespräch hat ca. 50 min gedauert und es ging primär um zwei wesentliche Punkte:

  • Behandlung der Hirnmetastase
  • Behandlung der systematischen Erkrankung nach Beendigung der Immuntherapie 

Wenn man sich allerdings ein wenig damit beschäftigt, stellt man schnell fest, dass das eine vom anderen abhängt. Es war uns jedoch ziemlich schnell klar, dass die aktive Metastase im Kopf dringend einer Behandlung bedarf. Es ist davon auszugehen, dass ich in spätestens 3 Wochen neurologische Ausfälle bekommen werde, sollte das unbehandelt bleiben.

Für die Systemerkrankung hatte ich im Vorfeld bereits umfangreiche Informationen gesammelt. Einiges hatte ich schon mit Euch geteilt. Dennoch stehen für mich etliche Behandlungsoptionen zur Verfügung, was die Entscheidung letztlich nicht einfacher macht. Man könnte die Immuntherapie als Monotherapie weiterführen und zunächst als Kombinationstherapie mit einer Chemo verbinden. Das ist möglich, weil die letzte Chemo länger als 6 Monate zurück liegt. Zudem könnte ich jetzt tatsächlich das Antikörper-Drug-Conjugate (ADC) bekommen, welches lange Zeit nur als Off-Label erhältlich war, aber seit Oktober eine Zulassung zur Zweitlinientherapie beim NSCLC bekommen hat (ich hatte davon berichtet). Weiterhin hatte ich bereits vor einer Woche Kontakt zu der Uniklinik Gießen-Marburg aufgenommen. Es ging um die Klärung, ob ich in die BEAMION-01 Studie für einen Tyrosin-Kinase-Inhibitor (TKI) kommen kann. Leider wurde die erste Kohorte dazu bereits 10 Tage vorher geschlossen. Das war tatsächlich 10 Wochen früher als ursprünglich geplant, aber es hatten sich so viele Patienten gefunden. Allerdings sind noch 4 weitere Kohorten offen, die aber alle systematisch unterschiedlich sind (z.B. vorbehandelt mit Chemo, vorbehandelt mit ADC, aktive Hirnmetastasen, etc.) Seit Mittwoch, weiß ich, dass ich eine sehr aktive Hirnmetastase habe und die ermöglicht mir vielleicht den Zugang zur Studie. Allerdings könnte es ein Ausschlusskriterium sein, wenn diese Metastase vorher bestrahlt wird. Daher wartete ich am Donnerstag schon händeringend auf den Rückruf vom Leiter des Tumorboards der Uniklinik Köln. Wir hatten uns bereits Tage vorher für den Donnerstag verabredet und ich wollte mit ihm die verbliebenen Optionen auch noch durchsprechen.

Wir sitzen aber immer noch beim Onkologen und er hat uns sehr sachlich und neutral die jeweiligen Vor- und Nachteile sowohl vom ADC als auch vom TKI dargelegt, da klar wurde, dass ich mich für eines der beiden entscheiden würde. Letztlich liegt die Entscheidung aber bei mir, auch wenn er mir zum ADC rät. Jedoch ist die Behandlung der Hirnmetastase so dringlich, dass ich einem Termin beim Strahlentherapeuten zugestimmt habe. Er hat dann unmittelbar dort angerufen und für mich einen Termin für den heutigen Freitag erkämpft. Dennoch war zu diesem Zeitpunkt meine Entscheidung zur weiteren Behandlung der Systemerkrankung noch nicht gefallen. Ich wollte unbedingt die Meinung aus Köln abwarten.

Am späten Nachmittag kam dann der Anruf aus Köln. Das Gespräch ging nochmal knapp eine Stunde. Wir sind schnell auf die Studie zu sprechen gekommen und da diese in vier unterschiedlichen Unikliniken in Deutschland läuft, war natürlich auch mein erster Gedanke: Könnte auch Köln für mich infrage kommen? Nachdem ich den Arzt nach dem zuständigen Ansprechpartner bzw. Verantwortlichen der Studienleitung gefragt habe, hat er mir gesagt, ich würde gerade mit ihm telefonieren. Was für eine Überraschung! Aufgrund seiner Tätigkeit ist er natürlich viel näher dran an den Studienergebnissen als auch am Umgang mit den Probanden. Seiner Einschätzung nach ist die Euphorie um das gerade erst zugelassene ADC etwas verflogen, weil die ersten Ergebnisse zum TKI so überragend und die Nebenwirkungen vom ADC ähnlich einer konventionellen Chemo gelagert sind. Er hat mir ganz klar eine Empfehlung für das Studienmedikament (TKI) ausgesprochen, auch im Hinblick darauf, ob ich zu einem späteren Zeitpunkt das ADC doch noch brauche. In umgekehrter Reihenfolge wäre die Wirksamkeit des zweiten Präparates deutlich eingeschränkt. Er wollte aber noch kurzfristig mit dem Hersteller prüfen, ob die Hinbestrahlung einem Ausschluss gleichkommt, was er aber zu 95% nicht denkt. Ich habe mich also (sofern ich denn aufgenommen werden würde) gestern Abend für die Teilnahme an der Studie entschieden und das habe ich meinem behandelnden Onkologen dann auch noch mitgeteilt. Nach knapp 11 Stunden unter Vollanspannung war dann auch die Luft raus.

Heute morgen (es ist Freitag) stand dann um 11 Uhr der Termin beim Strahlentherapeuten an. Also wieder nach Neuwied (3. Tag in Folge). Da meine Frau arbeiten musste, haben mich meine beiden Töchter zu diesem nicht ganz einfachen Termin begleitet. Das Gespräch mit der Ärztin war aber gut. Sie hat sich viel Zeit gelassen und nachdem ich meine vom Onkologen vorliegende Anamnese leicht korrigiert hatte, kam dann auch erstmal die Rückfrage, ob ich vom Fach sei... 😉

Zudem war sie dankbar, dass ich sowohl alle Vorbefunde als auch die Datenträger mit dem Bildmaterial dabei hatte. Tatsächlich war bis 08/23 die Situation im Kopf stabil. Der Progress ist jetzt aber deutlich und bedarf einer schnellen Behandlung. Es gäbe auch die Option der operativen Entfernung, aber die hatten wir für uns bereits im Vorfeld ausgeschlossen. Zumal nach einer OP auch routinemäßig immer noch bestrahlt wird, weil man nie ausschließen kann, dass alle Tumorzellen erwischt werden. Von Vorteil war jetzt, dass ich wirklich ein topaktuelles MRT dabei hatte (es lag ja erst 2 Tage zurück). Eine Woche später und man müsste erstmal wieder eine neue Bildgebung veranlassen. Nachdem die Ärztin kurz verschwunden war, um ein paar Dinge zu klären, kam sie kurzerhand wieder rein und sagte mir, dass heute noch die Maske und das Kontroll-CT angefertigt werden, so dass ich am Mittwoch meinen ersten Bestrahlungstermin habe. Voraussichtlich sind 3 Termine notwendig, so dass möglicherweise nächste Woche Freitag die Behandlung bereits fürs Erste abgeschlossen wäre. Das waren natürlich gute Neuigkeiten. Ich kam dann also unmittelbar danach in den CT Bereich, wo mir eine 2-teilige Maske aufgelegt wurde. Diese wird erwärmt und passt sich dadurch der Kopfform an. Beim Erkalten behält diese die Form und gleichzeitig wird man mit dieser Maske am Tisch fixiert. Es wurden dann Kontrollpunkte angebracht, mit deren Hilfe ich dann im CT vermessen wurde. Mit diesen Daten und den vorausgegangenen Bilddaten vom MRT kann dann der Tumor exakt für die Bestrahlung lokalisiert werden. Die gewonnenen Informationen werden von den Stereotaktikern (Stereotaxie ist die Art der Bestrahlung, die bei mir zum Einsatz kommt) sowie einem Physiker ausgewertet. Zudem werden die Strahlungshöhe, -richtung und -fläche für die einzelnen Koordinaten ermittelt.

Jetzt hoffen wir, dass ich bis zum nächsten Mittwoch keinerlei neurologische Ausfallerscheinungen bekomme. Zudem bin ich bis auf Weiteres fahruntüchtig und nicht geeignet ein Fahrzeug zu führen. Zu groß ist das Risiko, dass etwas passieren kann. Ich habe zwar ein Notfall-Kortison erhalten, es kann aber bedeuten, dass dadurch mein Gesicht anschwillt und dann die Maske nicht mehr passt. Das wäre sehr ärgerlich. 

Wir hoffen daher jetzt auf ein paar ruhige und friedvolle Tage, warten auf eine hoffentlich positive Rückmeldung zur Studienteilnahme in Köln und versuchen, im neuen Jahr die alten Dinge zurückzulassen.

An dieser Stelle muss ich einfach nochmal erwähnen, dass es unheimlich viel ausmacht, wenn man sich selber mit dem nötigen Nachdruck um die Koordinierung der Termine kümmert und sich mit seiner Erkrankung beschäftigt. Natürlich hat mein Onkologe da auch seinen Anteil dran, denn nur durch seine Hilfe habe ich so schnell einen Termin in der Strahlentherapie bekommen. Dennoch glaube ich, dass die Ärzte mittlerweile deutlich merken, dass ich weiß, worum es geht und ich sehr genaue Fragestellungen mitbringe.

Gesegnete Weihnachten Euch allen 🎄




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